Dissertation DIS-2007-11

Bibliograph.
Daten
Kada, Martin: Zur maßstabsabhängigen Erzeugung von 3D-Stadtmodellen.
Universität Stuttgart : Sonderforschungsbereich SFB 627 (Nexus: Umgebungsmodelle für mobile kontextbezogene Systeme), Dissertation (2007).
111 Seiten, deutsch.
CR-Klassif.J.0 (Computer Applications General)
Kurzfassung

Die großflächige Erfassung von 3D-Stadtmodellen erfolgt bislang durch die (semi-) automatische Interpreta- tion von Luftbildern und Luftlaserdaten. Aufgrund der luftbasierten Auswertung besitzen die resultierenden Gebäudemodelle zwar detaillierte Grundrisse und Dachstrukturen; eine Rekonstruktion der Fassaden ist auf dieser Datengrundlage jedoch nicht möglich. Folglich werden die Grundrisse bei der Modellierung bis zur gemessenen Dachkante einfach extrudiert. Für viele Anwendungen ist dieser Detaillierungsgrad mehr als ausreichend. Werden dennoch 3D-Gebäudemodelle mit detaillierten Fassaden benötigt, können terrestrische Bild- und Laserdaten Abhilfe schaffen. Deren Interpretation ist allerdings zeitaufwendig, da der hierfür not- wendige Automationsgrad noch nicht erreicht ist. Hinzu kommt, dass die terrestrische Datenerfassung meist nur unvollständig erfolgen kann. Gründe hierfür sind unvermeidliche Überdeckungen der zu messenden Fas- sadenfläche durch Fremdobjekte, sowie der Umstand, dass Gebäudeseiten mit dem Messinstrument nicht erreichbar sind. Eine Integration von luftgestützt erfasster und terrestrischer Daten könnte hierfür eine Lö- sung darstellen. Neben den klassischen Anwendungen von 3D-Stadtmodellen, wie z.B. der Standortplanung von Mobilfunk- antennen, Ausrichtung von Solaranlagen und Lärmanalysen, nimmt die Visualisierung einen immer höheren Stellenwert ein. Hierfür werden sowohl großflächige 3D-Gebäudedaten mit geringer Detaillierung als auch punktuell photorealistische Modelle benötigt. In der Echtzeit- und webbasierten Visualisierung werden Ob- jekte in Abhängigkeit von der Entfernung zum Betrachter unterschiedlich detailliert dargestellt. Kartenver- wandte 3D-Darstellungen betonen zur besseren Orientierung wichtige Landmarken, müssen dabei aber gra- phische Mindestgrößen einhalten. Für nicht-photorealistische Visualisierungen werden Modelle mit einer möglichst geringen Anzahl von Kanten benötigt, welche trotzdem die charakteristischen Gebäudeformen widerspiegeln. Es werden folglich, je nach Anwendungsgebiet, 3D-Gebäudemodelle in unterschiedlichen Detaillierungsgra- den nachgefragt. Da deren Erfassung mit hohen Kosten verbunden ist, wird eine breite Verwendung und kommerzielle Nutzung dieser Daten angestrebt. Um den Austausch zu vereinfachen, wurde von der Special Interest Group 3D (SIG 3D) der Initiative Geodateninfrastruktur Nordrhein-Westfalen (GDI NRW) das An- wendungsschema CityGML entwickelt und zur Standardisierung dem Open Geospatial Consortium (OGC) vorgelegt. Drei der darin enthaltenen fünf Detailstufen unterscheiden Gebäudemodelle aufgrund ihrer Au- ßenhülle in Blockgebäude, Modelle mit Dachstruktur und Architekturmodelle. Dessen ungeachtet ist es von der Datenerfassung und Datenhaltung her nicht sinnvoll, die Modelle in allen erdenklichen Detailstufen zu rekonstruieren und auf lange Zeit vorzuhalten. Vielmehr sollten sie in der durch die Erfassungsmethode be- dingten Detaillierung verwaltet und erst bei Bedarf automatisch und maßstabsgerecht in andere Detaillie- rungsgrade umgewandelt werden. Die vorliegende Arbeit soll hierzu einen Beitrag leisten, indem Lösungen in Form der kartographischen Ver- einfachung von Modellen mit Dachstrukturen und der bildlichen und geometrischen Ausgestaltung von Fas- saden vorgestellt werden. Bevor konkrete Lösungen präsentiert werden, erfolgt in der Arbeit zunächst eine allgemeine Diskussion zur Modellierung und Rekonstruktion von 3D-Stadtmodellen. Da Gebäude hauptsächlich aus ebenen Flächen bestehen, wird diese Objektart ausschließlich als Festkörper modelliert. Hierbei dominieren die Modellie- rungsformen der Parameterdarstellung, Konstruktion mit Raumprimitiven und Randbeschreibung. Es existie- ren zwar eine Reihe weiterer Formen, die sich jedoch speziell für die Modellierung von Gebäudeobjekten nicht gut eignen. Die geometrische Vereinfachung unter Wahrung der Objektcharakteristika ist ein elementarer Vorgang in der kartographischen Generalisierung. Für 2D-Gebäudedaten existiert bereits eine Reihe von Verfahren, um Grundrisse unter Beibehaltung der Koplanarität, Parallelität und Rechtwinkligkeit von Gebäudeseiten zu generalisieren. Einige davon, darunter die Generalisierung mittels Maßstabsräumen, Musterformen, explizi- ten Regeln und der Merkmalserkennung, wurden auch schon für die Verarbeitung von 3D-Gebäudemodellen umgesetzt. Jedoch lassen sich die Konzepte nicht so einfach auf den dreidimensionalen Fall übertragen. Bei-Zusammenfassung 5 spielsweise sind Dachstrukturen häufig nicht rechtwinklig, so dass diese Verfahren oftmals Schwierigkeiten mit deren Vereinfachung haben. Ähnliches gilt für die Simplifizierungsverfahren aus der Computergrafik, die für allgemeine Flächen entwickelt wurden und demzufolge objektspezifische Charakteristiken nicht be- wahren. Da die Konzepte und Methoden der beschriebenen Forschungsgebiete direkten Einfluss auf die Entwicklung der in der Arbeit dokumentierten Generalisierungsverfahren hatten, werden auch sie ausführlich diskutiert. Auf diesen Grundlagen aufbauend werden zwei neue Verfahren zur Generalisierung bzw. geometrischen Vereinfachung von einzelnen 3D-Gebäudemodellen vorgestellt. Diese sind von ihrer Vorgehensweise kom- plementär. Das erste Verfahren arbeitet von unten nach oben gerichtet (bottom up), indem die Merkmale von Gebäuden in einem iterativen Prozess erkannt und entfernt werden. Bei einem Merkmal kann es sich beispielsweise um eine Ausbuchtung an der Fassade handeln. Die hierzu notwendigen und teilweise komplexen Operatoren werden durch die Kombination elementarer Flächensimplifizierungsoperatoren gebildet. Sofern vorhanden, sollen diese Operatoren die schon erwähnten geometrischen Relationen Koplanarität, Parallelität und Recht- winkligkeit zwischen den Flächen strikt erhalten. Dies wird zusätzlich mittels des neu eingeführten Relati- onsgraphen sichergestellt, welcher die Relationen des Gebäudemodells verwaltet und anhand dessen die Gültigkeit jeder Operation überprüft werden kann. Nach der Geometrievereinfachung erfolgt eine Einpas- sung der neuen Gebäudeform an das Originalmodell. Hierzu wird das Gebäudemodell in ein funktionales Modell konvertiert und einer Ausgleichung nach kleinsten Quadraten unterzogen. Dadurch werden eventuel- le Veränderungen in der Lage und den Proportionen wieder korrigiert, so dass das vereinfachte 3D- Gebäudemodell optimal den Raum des Ursprungsmodells einnimmt. Während in diesem Ansatz auf der Detailebene gearbeitet wird, um kleine Strukturelemente zu eliminieren, erfolgt die Generalisierung im zweiten Verfahren von oben nach unten gerichtet (top down), durch einen Nachbau der globalen Gebäudeform. Hierfür werden aus den polygonalen Fassadenflächen eine Menge ap- proximierender Ebenen abgeleitet, um aus diesen eine generalisierte 2.5D-Zellenzerlegung des Grundrisses zu erhalten. Anschließend wird für jede Zelle eine vereinfachte Dachform erzeugt und die resultierenden 3D- Primitive zu einem 3D-Gebäudemodell zusammengefügt. Durch die Interpretation der Dachform ist nicht nur eine Vereinfachung möglich, sondern es wird auch gezeigt, wie der elementare Generalisierungsvorgang Typifizieren für Dachformen, realisiert werden kann. Dabei handelt es sich um die Ausdünnung einer Menge gleichartiger Objekte unter Beibehaltung der ursprünglichen Objektverteilung. Neben der Generalisierung ist die Ausgestaltung von Fassaden eine weitere Aufgabe, die zur Bereitstellung von Modellen in unterschiedlichen Detailstufen, gelöst werden müssen. Beginnend mit einer Diskussion zur manuellen Texturierung wird darauf aufbauend ein automatischer Ansatz entwickelt. Dabei werden aus Bil- dern, deren äußere Orientierungen zum Aufnahmezeitpunkt bekannt sind, Fassadenbilder extrahiert und auf die Fassadengeometrie aufgebracht. Überdeckungen durch das Objekt selbst oder durch Fremdkörper werden erkannt und über die Fusion mehrerer Bilder retuschiert. Es wird gezeigt, dass sich der Prozess unter Aus- nutzung spezieller Grafikhardware realisieren lässt, um beispielsweise bei der mobilen Erfassung die Ergeb- nisse in Echtzeit darzustellen. Nicht in allen Situationen reichen Fassadenbilder für eine adäquate Visualisie- rung aus; oder es wird für Analyseaufgaben eine semantische Strukturierung von der Fassade benötigt. Zu diesem Zweck wird eine Interpretation von 3D-Punktwolken vorgestellt, die mittels eines terrestrischen La- serscanners erfasst wurden. Fenster und Türen werden über eine Segmentierung und einfach gestalteter Re- geln detektiert und ausmodelliert. Wie bei der Generalisierung erfolgt die Modellierung per Zellenzerlegung. Die Ergebnisse zur Generalisierung und der Ausgestaltung von Fassaden, die im Laufe der Untersuchungen entstanden sind, werden an den jeweiligen Stellen aufgeführt und ausführlich erörtert. Eine Diskussion der Verfahren und ein Ausblick schließen die Arbeit ab.

Abteilung(en)Universität Stuttgart, Institut für Photogrammetrie (ifp)
BetreuerFritsch, Dieter
Projekt(e)SFB-627, C1 (Universität Stuttgart, Institut für Photogrammetrie (ifp))
Eingabedatum26. Mai 2010
   Publ. Informatik