2.5 Eine Beurteilung

Elektronische Kommunikation kann sich schädlich auf das Sozialleben auswirken. Statt Nachbarschaftskontakte, Freundschaften und Bekanntschaften zu pflegen, bewegen sich Menschen durch die künstlichen Welten der Datennetze, wo sie per Terminal Eingabe anonyme und unverbindliche Kontakte zu weit entfernten Unbekannten aufnehmen. "Künstliche Nachbarschaften" ersetzen die emotionale Einbindung in ein echtes soziales Umfeld mit Menschen aus Fleisch und Blut. Wenn über Datennetze Millionen von Interaktionspartnern erreichbar sind und man nicht auf die lokal angesiedelten Personen angewiesen ist, steigen die Chancen, Partner gemäß den eigenen Werten und Wunschvorstellungen auszusuchen und sich von anderen abzuschotten. Eine Zersplitterung der Gesellschaft in immer mehr Insider Kreise wird dadurch begünstigt.
Aber auch computervermittelte Kontakte zu Personen, die man kennt, werden durch das Medium eingeschränkt, denn computervermittelte Kommunikation, die vornehmlich textbasiert abläuft, kann nonverbale Signale, Stimme und Stimmung, Geruch und Atmosphäre nicht übermitteln. Gleichzeitig müssen sich Kommunikation und Informationsaustausch den Erfordernissen der Informationstechnik anpassen, was zu Formalisierung, Ent-Emotionalisierung, Ent-Zeitlichung, Ent-Räumlichung wenn nicht gar Ent-Menschlichung führt. Diese Informatisierung der Kommunikation trägt zu ihrer Verarmung bei. Kommunikationsgelegenheiten, die sich im Alltag informell, zufällig und beiläufig ergeben und entwickeln, werden bei technischer Vermittlung in ein Korsett technischer Regeln gezwängt und müssen geradezu schematisch und vorgeplant ablaufen (z. B. eine Videokonferenz).
An die Stelle lebendiger, spontaner, direkter sinnlicher Welterfahrung treten vermittelte, entmaterialisierte, entsinnlichte und damit auch entmenschlichte. Zwischenmenschliche Bindungen werden durch diese Mediatisierung "abgekühlt", echte Nähe und Verbundenheit kann technische Kommunikation nicht herstellen.
Was die neue Diskussionskultur betrifft, so sollte einem immer bewußt sein, daß ein Datennetz keine persönliche Begegnung vollständig ersetzt. Um mit Menschen zu diskutieren, Meinungen auszutauschen und um Informationen zu erlangen ist die technische Kommunikation ein starkes Werkzeug. In der Benennung 'Werkzeug' liegt auch ihre Beschränkung. Als solches sollte sie nicht Ersatz zu zwischenmenschlichen Beziehungen und Sozialkontakten werden.