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Eine kurze Geschichte des Umweltschutzes...

Die Anforderungen an die Umweltpolitik haben sich in den letzten Jahren wesentlich verändert: Als Mitte der siebziger Jahren die direkten Folgen unserer ``unsauberen'' industriellen Produktion immer offensichtlicher wurden (vergiftete Menschen und Tiere, tote Gewässer, verschmutzte Luft), versuchte man zunächst das Problem mit Immissionsindikatoren in den Griff zu bekommen. Von dem immissionsbezogenen Ansatz, der zu hohen Schornsteinen statt zu weniger Umweltbelastung führte, ging man nach und nach dazu über Emmissionsindikatoren zu betrachten. Daraufhin wurde sehr viel materieller, finanzieller, und intellektueller Aufwand in die Identifizierung von gefährlichen Einzelstoffen gesteckt, um sie sodann vom Markt zu nehmen, aus Abgasen herauszufiltern oder als Rückstände zu verbrennen. Schadstoff-Indikatoren, wie z.B. SO tex2html_wrap_inline423 und Schwermetallkonzentrationen, wurden entwickelt.

Parallel zu diesem sogenannten ``end of pipe''-Ansatz, entwickelte sich eine Industrie der nachsorgenden Umwelttechnik, in der Deutschland, wie führende Politiker nicht müde werden zu betonen, eine Spitzenstellung einnimmt. So erfolgreich und wichtig sie auch in Bezug auf Einzelstoffe sein mag, kann sie doch nicht darüber hinwegtäuschen, daß globale Umweltprobleme, wie z.B. die drohende Klimaveränderung durch anthropogene CO tex2html_wrap_inline423 - und Methan- Einträge in die Atmosphäre oder der steigende Meeresspiegel, mit diesem Ansatz nicht zu lösen sind. Dies liegt nicht zuletzt daran, daß die Wirkung von Einzelstoffen auf ein hinreichend komplexes Ökosystem nie ganz erforscht werden kann und zudem jährlich Tausende von neuen Stoffen entdeckt bzw. hergestellt werden.[13]

Aus diesem Dilemma heraus hat sich in den letzten Jahren die Idee des ``sustainable development'' (oft mit nachhaltige- oder zukunftsfähige Entwicklung ins Deutsche übersetzt) herausgebildet. Darunter versteht man eine Entwicklung, in der die Bedürfnisse heutiger Generation befriedigt werden sollen, ohne die Bedürfnisse kommender Generationen zu gefährden.[1] Mit diesen Leitbegriffen verbindet sich auch die Erkenntnis, daß umweltpolitische Probleme nicht unabhängig von wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen gesehen werden können. Die alte Entwicklungsmaxime, zunächst ökonomischen Wohlstand zu erreichen und danach die Umweltschäden zu reparieren, muß heute durch einen im Wirtschaftssystem und in den Produktionsprozessen integrierten Umweltschutz ersetzt werden. Führende Umweltschutz-Experten, wie z.B. Ernst Ulrich von Weizsäcker, sprechen sich dafür aus, externe Umweltkosten in die betriebswirtschaftliche Rechnung von Produkten und Dienstleistungen mit aufzunehmen. Preise sollen die ``ökologische Wahrheit'' sprechen.

Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit von Umweltindikatoren, die außer wissenschaftlich vertretbar, vor allem politisch und ökonomisch handhabbar sein müssen. Sie können dann z.B. als Berechnungsgrundlage für eine ökologische Steuerreform benutzt werden.gif Wichtigstes Ziel eines vorsorgeorientierten Umweltschutzes ist es, die anthropogenen Stoffströme auf ein risikoarmes Niveau zu reduzieren. Diese Einsicht stammt unter anderem aus der Erfahrung, daß CO tex2html_wrap_inline423 in großen Mengen - ein an sich nicht gesundheitsschädlicher Stoff - unser Klima nachhaltig aus dem Gleichgewicht bringen kann. Die Menschheit bewegt heute mehr Masse als die Geosphäre. Das ist ziemlich sicher nicht risikoarm! Deshalb wird in [2] MIPS (Material-Intensität pro Serviceeinheit) als ein geeignetes Maß für die Umweltbelastung eines Produkts oder einer Dienstleistung vorgeschlagen (ergänzt durch bekannte Schadstoffindikatoren). Der Material-Input(MI)-Wert muß dabei alle Stoffströme - vom Abbau der Rohmaterialien bis zur Rückgabe in die Natur (Abfall, Abgas, Abwasser...) - berücksichtigen. Also auch die Massen, die nur zur Gewinnung der Rohstoffe bewegt werden und dabei als Abfall wieder der Natur übereignet werden. Die sogenannten ``ökologischen Rucksäcke''. Diese um die ``vergessenen Tonnen'' erweiterte Billanzierung des Ressourcenverbrauchs geht seit kurzem auch in die Umweltökonomische Gesamtrechnung des Statistischen Bundesamtes ein (zitiert in [1]). Das Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie erstellt auf dieser Grundlage nach und nach Ökobilanzen für wichtige Produkte und Grundstoffe. Unter anderem gibt es bereits Vorab-Veröffentlichungen von Studien über den PC [5] (siehe Abschnitt 2.1)und über das Automobil [17].

Nachhaltiger Umweltschutz muß also heute zwei komplementäre Strategien verfolgen: Schadstoffkontrolle zur Abwehr erkannter Gefahren und Minimierung der Ressourcenentnahme aus der Geosphäre, als vorsorgeorientierte Strategie der Gefahrenvermeidung. Experten des Wuppertal Instituts gehen davon aus, daß langfristig (bis Mitte nächsten Jahrhunderts) eine weltweite Verminderung des MIs um mindestens 50% zukunftsfähig wäre. Geht man davon aus, daß die armen Länder den gleichen Anspruch auf Ressourcen haben, wie wir bedeutet das für Deutschland eine ``Dematerialisierung'' der Produktion um 80-90%.[2, 1] Dies kann einerseits mit weniger MI pro Serviceeinheit (Effizienz), andererseits mit Verringerung der Serviceeinheiten durch Hinterfragen des Nutzens, Verlängerung der Lebensdauer, Sharing und Kaskadennutzung erreicht werden. Vor allem im zweiten Punkt - dem intelligenten Benutzen von Produkten - liegt ein ungeheueres Potential.

In der aktuellen Umweltpolitik steht der nachsorgende Umweltschutz leider noch immer im Vordergrund. Vorsorgeorientierte Ziele, wie z.B. das auf dem Umweltgipfel in Rio beschlossene globale CO tex2html_wrap_inline423 -Reduktionsziel, werden zwar aufgestellt aber, zumindest von Deutschland, nicht erreicht.

Positive Effekte bei der Steigerung der Ressourceneffizienz werden, ohne geeignete Steuermechanismen durch höheren Konsum (mehr Service-Einheiten) überkompensiert (sogenannter Rebound-Effekt)


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Mark Breitenbuecher
Wed Jun 25 14:22:50 MET DST 1997